LG Stuttgart contra Daimler, Mercedes ML250 Bluetec 4Matic, OM651, Euro 6

Das LG Stuttgart hat Daimler mit Urteil vom 18.01.2022, 10 O 277/20, zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss den streitgegenständlichen Mercedes-Benz ML250 BlueTec 4Matic mit dem Motortyp OM651, Euro6 zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat für das Modell einen verpflichtenden Rückruf wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems angeordnet.

Das Fahrzeug verfügt über eine Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung, die in der Warmlaufphase des Motors für eine besondere zusätzliche NOx- und Rußemissionsverringerung sorgt.

Die Funktion bewirke, dass der Stickoxid-Ausstoß im Prüfmodus reduziert wird. Unter normalen Betriebsbedingungen im Straßenverkehr sei sie jedoch kaum aktiv, so dass die Emissionen steigen. Zudem sorge ein Thermofenster dafür, dass die Abgasreinigung bei niedrigen Außentemperaturen reduziert wird. Im Ergebnis führten die unzulässigen Abschalteinrichtungen dazu, dass die Grenzwerte für die Stickoxid-Emissionen zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im realen Straßenverkehr eingehalten würden.

Die Abschalteinrichtungen Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und Thermofenster zielten auf das Erkennen des Prüfstands ab. Andere legitime Zwecke für diese Funktionen könnten ausgeschlossen werden, so das LG Stuttgart weiter. Daimler habe den Vorwurf nicht widerlegen können.

LG Düsseldorf: ARAG Rechtsschutzversicherung muss bei Mercedes-Abgasskandal decken

Das LG Düsseldorf hat die ARAG SE mit Urteil vom 02.02.2022, Az. 9 O 257/21 dazu verurteilt, Deckungsschutz für ein Verfahren im Mercedes-Abgasskandal zu erteilen. Es bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht.

Die ARAG SE hatte dem Kläger hierfür den Deckungsschutz verweigert, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg sah. Dem widersprach nun das LG Düsseldorf in seiner Entscheidung. Mit Verweis auf die Verurteilung der Daimler AG durch das OLG Naumburg und dem Hinweis des BGH zu einer prüfstandbezogenen Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung belegte das Gericht, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg gegeben sei und verurteilte die ARAG SE dazu, Deckungsschutz zu gewähren.

Streitgegenständlich ist ein Mercedes ML 350 BlueTEC 4MATIC mit dem Motortyp OM642, welcher von einem durch das KBA angeordneten Pflichtrückruf betroffen ist.

LG Stuttgart contra Daimler, Mercedes S350, OM642, Euro 6

Das LG Stuttgart hat Daimler mit Urteil vom 3.11.2021, 19 O 178/20, zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss den streitgegenständlichen Mercedes-Benz S 350 Bluetec 4Matic mit dem Motortyp OM642 Euro 6, zurücknehmen und der Klagepartei den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das LG Stuttgart stufte die im Fahrzeug enthaltene AdBlue-Dosierstrategie als unzulässige Abschalteinrichtung ein und sah in dem Verkauf eines derart mangelhaften Fahrzeugs eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des Käufers.

Das LG Stuttgart folgte den Ausführungen des Klägers und sprach ihm Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu. Die Daimler AG habe den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht widerlegen können. Insbesondere habe sie sich nicht zur Verwendung der Funktion Slipguard geäußert.

Slipguard: Anhand der Parameter „Geschwindigkeit, Beschleunigung und Straßenneigung“ kann das Fahrzeug erkennen, wenn es sich auf dem Prüfstand befindet.

Ferner habe Daimler auch nicht bestritten, dass nach dem Ausstoß einer für den Prüfmodus NEFZ typischen Stickoxid-Menge die Emissionsminderung nicht mehr optimal erfolge, dem sog. Bit 13.

Bit 13: Sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxid ausgestoßen hat, verringert sich der Wirkungsgrad der Abgasreinigung.

Eine offensichtlich auf den Prüfzyklus ausgerichtete optimierte Emissionsstrategie sei nicht repräsentativ für das Fahrverhalten im normalen Straßenverkehr und unzulässig, führte das LG Stuttgart aus.

LG Oldenburg contra Daimler, Mercedes ML350 BlueTec, OM642, Euro6

Das LG Oldenburg hat Daimler mit Urteil vom 26.10.2021, 1 O 1242/20, zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss den streitgegenständlichen Mercedes-Benz ML 350 Bluetec mit dem Motortyp OM642 Euro 6, zurücknehmen und der Klagepartei den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das LG Oldenburg stufte die im Fahrzeug enthaltene AdBlue-Dosierstrategie als unzulässige Abschalteinrichtung ein und sah in dem Verkauf eines derart mangelhaften Fahrzeugs eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des Käufers.

Dabei sorgen gleich vier Funktionen dafür, dass das Fahrzeug den Prüfstand erkennt.

Bit 13: Sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxid ausgestoßen hat, verringert sich der Wirkungsgrad der Abgasreinigung.

Bit 14: Nach 1.200 Sekunden wechselt das Auto in den schmutzigen Abgasmodus.

Bit 15: Nach 11 Kilometern Fahrtstrecke funktioniert die Stickoxid-Reinigung nicht mehr vorschriftsmäßig.

Slipguard: Anhand der Parameter „Geschwindigkeit, Beschleunigung und Straßenneigung“ kann das Fahrzeug erkennen, wenn es sich auf dem Prüfstand befindet.

LG Wuppertal contra Daimler, Mercedes GLK 250 BlueTec, OM651, Euro6

Das LG Wuppertal hat Daimler mit Urteil vom 15.11.2021, 2 O 377/20, zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss den streitgegenständlichen Mercedes-Benz GLK 250 BlueTec 4Matic mit dem Motortyp OM651, Euro6 zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das Fahrzeug verfügt über eine Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung, die in der Warmlaufphase des Motors für eine besondere zusätzliche NOx- und Rußemissionsverringerung sorgt.

Das Fahrzeug verfügt über unzulässige Abschalteinrichtungen in Zusammenhang mit einem SCR-System. Dabei wird die Abgasrückführungsrate anhand zweier unterschiedlicher Betriebsmodi gesteuert. Auf dem Prüfstand wird dabei automatisch der „Modus 1“ aktiviert, der den Stickoxidausstoß optimiert. Die Abgasrückführungsrate wird erhöht, was zu einem niedrigeren Ausstoß an Stickoxid führt. Im normalen Straßenverkehr dagegen fährt das Fahrzeug im partikeloptimierten „Modus 0“. In diesem Modus werden die Grenzwerte für Stickoxid überschritten. Laut Landgericht stehe außer Zweifel, dass kein verständiger Autokäufer ein Kraftfahrzeug kaufe, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genüge und dessen Hersteller die vom KBA gleichwohl erteilte Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen habe.

LG Freiburg contra Daimler, Mercedes Sprinter 316 CDI, OM651

Das LG Freiburg hat Daimler mit Urteil vom 18.10.2021, 6 O 149/19, zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss die drei streitgegenständlichen Mercedes-Benz Sprinter 316 CDI mit dem Motortyp OM651, Euro6 und Euro6 zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das eine Fahrzeug verfügt über ein Thermofenster, die beiden anderen Sprinter über eine Kühlmittel-Sollwert-Temperatur-Regelung, der AdBlue-Funktion und der Slipguard-Funktion als unzulässige Abschalteinrichtungen.

Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt über die Abgasrückführung (AGR). Die AGR wird über die Außentemperatur gesteuert. Das sogenannte Thermofenster manipuliert dabei die Abgasreinigung derart, dass sie die meiste Zeit des Jahres ausgeschalten ist. Bei den Prüfstandbedingungen sei die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstünden. Im normalen Fahrbetrieb würden dagegen Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, weshalb die NOx-Emissionen dann erheblich höher seien.

Ein Fahrzeug verfügt über einen SCR-Katalysator. Mit der Harnstoff-Mischung AdBlue werden so die Abgase des Motors gereinigt. Hier gibt es unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasreinigung beeinflussen und letztlich manipulieren.

Neben dem Thermofenster sollen zwei Fahrzeuge auch über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verfügen. Diese hat zur Folge, dass die Temperatur des Kühlmittels und des Motoröls künstlich zu Beginn des Motorbetriebs niedrig gehalten wird, wodurch es zum Ausstoß niedrigerer Mengen an Stickoxyden kommt. Im normalen Straßenbetrieb wird dann wieder die Umwelt verpestet.

Durch die Kühlmittel-Sollwert-Temperatur-Regelung wird bekanntlich die Abgasreinigung im Prüfbetrieb heruntergeregelt, um während des Prüfzyklus die Grenzwerte einzuhalten. Im Gegensatz dazu kann das streitgegenständliche Fahrzeug im Realbetrieb die Stickoxidemissionen gerade nicht einhalten.

Mercedes CLA Rückruf

Mit Bescheid vom 08.11.2021 hat das KBA einen weiteren Rückruf (011310) veranlasst. Der Rückrufcode bei Daimler lautet 5496147 und betrifft Fahrzeuge der Mercedes A-Klasse, B-Klasse und des CLA. Die Motorbezeichnung hat das KBA nicht veröffentlicht. Es dürfte sich aber um die Motortypen OM607 oder OM651 aus den Baujahren 2012 bis 2015 handeln.

Gutachten enthüllt 8 Abschalteinrichtungen bei Daimler, OM642

Ein neues Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass Daimler in der Motorsteuerungssoftware einer Diesel-Variante insgesamt acht mutmaßlich unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut hat.

Die neue Software-Analyse des IT-Experten Felix Domke zeigt, dass sich sechs der acht gefundenen Abschalteinrichtungen auf die Reinigung der Abgase durch den SCR-Katalysator auswirken. Die Eindüsung des Harnstoffs AdBlue wird dadurch drastisch reduziert, was dem Gutachten zufolge „einen wesentlich höheren NOx-Ausstoß nach sich zieht“.

Besonders auffällig sei, dass die Software in den deutlich schmutzigeren Modus wechselt, sobald der durchschnittliche Verbrauch des Harnstoffs AdBlue eine bestimmte Menge überschreitet: „Diese Verbrauchslimitierung erscheint mir als die bisher dreisteste Abschalteinrichtung, die ich kenne“, sagt der Abgasexperte Prof. Kai Borgeest von der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Er kenne keine Rechtfertigung, die AdBlue-Dosierung von einem Durchschnittsverbrauch abhängig zu machen, ergänzt er, dieses Vorgehen sei „besonders arglistig“.

Drei Abschalteinrichtungen hängen dabei von einem „Alterungsfaktor“ ab, der die Schwellenwerte deutlich absenkt, bei denen die Abschalteinrichtungen anspringen. In zwei Fällen geschieht dies bereits ab einer Alterung von etwa 1 Prozent bezogen auf die Lebensdauer des Fahrzeugs – also nach wenigen tausend Kilometern Laufleistung. Eine weitere Minderung erfolgt nach circa 20 Prozent Alterung.

Zwei illegale Abschalteinrichtungen stehen im Zusammenhang mit dem Abgasrückführ-System des Fahrzeugs. Für sie alle gibt es keinen plausiblen physikalischen Grund.

Gutachter Domke hat noch eine weitere Abschalteinrichtung gefunden. Sie bewirkt, dass das Abgasreinigungssystem beim Motor-Start nur in einem Temperaturbereich zwischen 19 und 35 Grad Celsius richtig läuft. Und: Es funktioniert nur, solange die Motortemperatur den Wert von 86 Grad Celsius nicht übersteigt. Vor allem diese Funktion scheint auf den Testbetrieb zugeschnitten zu sein, stellt Domke in seiner Analyse fest. „Es fällt auf, dass die Bedingungen im NEFC-Testzyklus jederzeit zuzutreffen scheinen, im Regelbetrieb sind sie dagegen nicht erfüllt“.

Das Ergebnis: Die realen Stickoxid-Emissionen auf der Straße liegen bis 500 Prozent über dem gesetzlich festgeschriebenen Grenzwert.

Die gefundenen Abschalteinrichtungen aktivieren sich in Fahrsituationen, die auf der Straße üblich sind. Bereits bei normaler Fahrweise verhindert so gut wie immer mindestens eine Abschalteinrichtung die Verbesserung der Emissionen aktiv – auch wenn es physikalisch oder zum Motorschutz gar nicht notwendig ist. So wird die eingespritzte Menge an AdBlue deutlich reduziert, die zur Neutralisierung der Stickoxide im SCR-Katalysator dringend benötigt wird; ähnlich wird die Abgasrückführungsrate reduziert. Oft leistet dadurch die eigentlich fähige Abgasaufbereitungshardware nur einen Bruchteil der möglichen Leistung, das Fahrzeug stößt unnötig große Mengen Stickoxide aus„, so Experte Felix Domke.

Neuer Rückruf für Mercedes A- und B-Klasse

Das KBA hat bei Modellen der Mercedes A-Klasse und B-Klasse nun auch eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt und einen Rückruf angeordnet. Wie das KBA am 29.10.2021 veröffentlichte, sind weltweit mehr als 51.000 Fahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2011 betroffen. In Deutschland werden knapp 16.400 Fahrzeuge der A- und B-Klasse unter dem Rückruf-Code 5497524 in die Werkstatt gerufen.

OLG Naumburg contra Daimler, Mercedes GLK 220 CDI 4 MATIC, OM651, Euro 5

Das OLG Naumburg hat in dem Verfahren 8 U 24/21 mit Urteil vom 15.10.2021 das vorangegangene Urteil des LG Magdeburg aufgehoben und Daimler zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt.

Daimler muss den streitgegenständlichen Mercedes-Benz GLK220 CDI mit dem Motortyp OM651 und der Abgasnorm Euro 5, zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutztungsentschädigung erstatten.

Das Fahrzeug verfügt über eine Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung, die in der Warmlaufphase des Motors für eine besondere zusätzliche NOx- und Rußemissionsverringerung sorgt. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte diese als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft und das Fahrzeug deshalb verpflichtend zurückgerufen. Das Gericht teilt nunmehr die Auffassung des KBA hinsichtlich der unzulässigen Abschalteinrichtung.

Bei der in dem Fahrzeug verwendeten Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung handelt es sich um eine unzulässigen Abschalteinrichtung, so das OLG Naumburg.