Sachverständigengutachten bestätigt Abschalteinrichtung bei Daimler

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Ein Sachverständigengutachten, welches durch das LG Stuttgart eingeholt wurde kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Motorsteuersoftware des untersuchten E250 CDI Euro 5 eine Abschaltvorrichtung enthält. Das Fahrzeug erkennt die niedrige benötigte Motorleistung auf dem Teststand, wenn der Prüfzyklus, der sogenannte NEFZ, durchfahren wird. Die Motorsteuerung regelt dann die Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad Celsius herunter – statt der üblichen 100 Grad. Die abgesenkte Kühlmitteltemperatur führt zu besseren NOx-Werten. Beim getesteten Fahrzeug wird die Menge schädlicher Abgase auf dem Prüfstand somit verringert.

Der Abgasexperte Prof. Kai Borgeest von der Technischen Hochschule Aschaffenburg sieht darin einen Beleg für eine unzulässige Abgasmanipulation: „Die nachgewiesene Abschalteinrichtung kann dazu führen, dass die Stickoxid-Emissionen im Straßenverkehr die am Prüfstand gemessenen Emissionen erheblich übersteigen.“

Auf Nachfrage erklärt Daimler, es sei bereits seit Mai 2019 bekannt, dass das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die so genannte „Kühlmittelsolltemperatur-Regelung“ in bestimmten Fahrzeugvarianten als unzulässige Abschalteinrichtung einstuft. Daimler sei jedoch der Auffassung, dass die Funktionalität zulässig ist. Deshalb habe der Konzern gegen die Rückrufbescheide des KBA Widerspruch eingelegt.

Nach Daimler-Angaben ist die Software mit der beanstandeten Kühlmittelsolltemperatur-Regelung in rund 100.000 Fahrzeugen verbaut. Was genau in den Rückrufbescheiden steht, gilt als Geschäftsgeheimnis. Selbst die Gerichte, die Schadenersatzklagen verhandeln, können die Bescheide nicht einsehen.

Dem Bayrischen Rundfunk liegt ein KBA-Schreiben an Daimler vom 4.4.2019 vor, welches das KBA vor dem endgültigen Bescheid verschickt hat. Darin beschreibt das KBA, wie die bemängelte Abschalteinrichtung bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor OM651 und der Abgasnorm Euro 5 funktioniert: „Mit Hilfe eines elektrisch beheizbaren Thermostats im Kühlmittelkreislauf erfolgt in Abhängigkeit von den Drehzahl- und Lastbedingungen sowie Umgebungs- und Betriebsstoffbedingungen eine Sollwertabsenkung der Kühlmitteltemperatur von 100 °C auf 70 °C.“

Durch die niedrigere Temperatur verändere sich die Abgasrückführung. Die Folge sei, dass die Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten werden könnten. Zudem sind laut KBA die von Daimler programmierten „Schaltkriterien“ so gewählt, dass die Bedingungen auf dem Prüfstand erkannt werden.

Der Sachverständige aus dem Verfahren des Landgerichts Stuttgart hat in seinem Gutachten auch herausgearbeitet, wann die Software für eine Deaktivierung der Abschalteinrichtung sorgt: „Eine höhere Drehzahl oder ein höherer Luftmassenstrom für eine Dauer von fünf Sekunden genügen, um auf die höhere Solltemperatur umzuschalten.“ Umgekehrt könne erst nach 54 Minuten wieder auf die niedrigere Solltemperatur zurückgeschaltet werden. Daimler wollte sich zu diesen Zeitangaben nicht äußern. Allerdings ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass diese nur für den NEFZ-Test programmiert wurden.

Der Sachverständige hat zudem Hinweise auf noch eine mögliche Manipulation gefunden: Eine weitere Abschaltvorrichtung öffne fast während der gesamten Prüffahrt die Kühlerjalousie. Dies führe ebenfalls zu einer Absenkung der NOx-Werte auf dem Teststand. Daimler führt dagegen an, die Kühlerjalousie sei auf dem Prüfstand „überwiegend geschlossen“. Auch habe die Stellung der Jalousie keinen Einfluss auf die NOx-Werte auf dem Teststand. Dem widersprechen jedoch Experten. So legt Prof. Stefan Hausberger von der Technischen Universität Graz dar: „Eine offene Jalousie hilft am Prüfstand die Abgasrückführung zu kühlen und senkt die NOx-Werte.“

Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020, C-693/18, greift auch die Argumentation von Daimler, das dies zulässige Maßnahmen zum Motor- bzw. Bauteilschutz darstellen, nicht mehr.

Es wird von einer baldigen Trendwende bei den Gerichten zu Lasen von Daimler ausgegangen.

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Veröffentlicht von

Rechtsanwalt Alexander Jüngst, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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